Machen Sie doch mal Bildungsurlaub!

Bezahlte Bildungszeit von bis zu einem Jahr oder in Teilzeit über zwei Jahre? Das klingt verlockend. Bisher nehmen aber nur wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland bezahlte Bildungszeit in Anspruch. Das soll sich mit dem neuen Weiterbildungsgesetz ändern, das vom Bundesministerium für Arbeit im Januar 2023 angekündigt wurde. Unter anderem soll so dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

Sprachkurs auf Mallorca, Skifahren in den Alpen, Spanisch & Surf auf Fuerteventura, Resilienz und Achtsamkeitstraining am Lago Maggiore oder Super Intensive English Program auf Hawaii? In Ländern wie Österreich sind berufliche Bildungs-Auszeiten von bis zu einem Jahr, alternativ als Bildungsteilzeit für bis zu zwei Jahren, kein Aufreger-Thema. Auch nicht, wenn es um eher exotische Workshops oder Studienreisen geht. Wer die „Bildungskarenz“ nutzt, wird in Österreich mit einem Weiterbildungsgeld gefördert.

Anders in Deutschland. Hier wird bezahlte Bildungszeit von Arbeitgeberseite bislang eher argwöhnisch beäugt und sorgte angesichts der Ankündigung eines neuen Weiterbildungsgesetzes durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Mitte Januar für kontroverse Diskussionen.

Besonders Unternehmen im Mittelstand reagierten auf die Idee, bezahlte Bildungszeit nach österreichischem Vorbild einzuführen, skeptisch. Derartige Konzepte gingen „an der Realität des Arbeitslebens“ vorbei, ließ der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft in der Presse verkünden.

Kein Wunder, dass sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hierzulande gar nicht trauen, ihr Recht auf Bildungszeit in Anspruch zu nehmen. Je kleiner der Betrieb, umso größer scheint die Hemmschwelle zu sein.

In Österreich gibt es eine Vielzahl von Bildungsmaßnahmen, die Arbeitnehmer im Rahmen des Bildungsurlaubs wahrnehmen können. Einige der beliebtesten Maßnahmen sind:

  • Sprachkurse: Vor allem Englischkurse liegen hoch im Kurs und werden am häufigsten wahrgenommen
  • EDV-Kurse: Kurse zur Verbesserung der Computerkenntnisse sind ebenfalls sehr gefragt
  • Management- und Führungskurse: Kurse, die sich auf Management- und Führungsthemen konzentrieren, werden von vielen Arbeitnehmern genommen
  • Kreativkurse: Kurse in Bereichen wie Zeichnen, Malen, Fotografie oder Schreiben sind auch sehr beliebt
  • Gesundheitskurse: Kurse zu Themen wie Yoga, Meditation und Entspannung, aber auch Sportliche Aktivitäten, sind ebenfalls gefragtQuelle: Aktuelle Informationen zu Bildungskarenz und Bildungsteilzeit


Was soll mit dem Weiterbildungsgesetz erreicht werden?

Hubertus Heil hat gute Gründe für sein neues Weiterbildungsgesetz und will mit seinem Vorhaben vorausschauend handeln. Viele Babyboomer gingen ab 2025 in Rente, gab er in seiner Presserklärung zu bedenken. Dem sich dadurch weiter verstärkenden Fachkräftemangel müsse daher aus der Zeit etwas entgegengesetzt werden. Zum einen können Beschäftigte auf diese Weise ihren Horizont erweitern, indem sie etwas lernen, was ihnen im Beruf nützlich ist. Zum anderen kann es motivierend sein, dem Hamsterrad zu entfliehen und etwas zur Erweiterung des eigenen Horizonts oder zur Persönlichkeitsentwicklung zu tun.

So gibt es zum Beispiel unter Bildungsurlaub.de oder Bildungsurlauber.de ein vielfältiges Angebot für Seminare, Workshops und Studienreisen auf der ganzen Welt, die sich als Weiterbildungsmaßnahme eignen. Beim Lohmarer Institut für Weiterbildung finden sich beispielsweise Seminare und Kurse, die sich mit beruflicher Kompetenz, Persönlichkeit und Beruf, Politik und Gesellschaft sowie Ökologie und Natur auseinandersetzen.


Bildungsurlaub ist Ländersache

Bildung ist Ländersache, deshalb unterscheiden sich die Voraussetzungen für einen Bildungsurlaub von Bundesland zu Bundesland. In 14 von 16 Bundesländern gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Auszubildende. Dabei unterscheiden sich die Bezeichnungen: In manchen Bundesländern werden die Extra-Urlaubstage zur Weiterbildung auch „Bildungsfreistellung“ oder „Bildungszeit“ genannt. Bayern und Sachsen sind derzeit die beiden einzigen Bundesländer, in denen es keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub gibt. Der Inhalt der Weiterbildung muss nicht notwendigerweise mit der beruflichen Tätigkeit in Verbindung stehen.

Welche Voraussetzungen müssen derzeit erfüllt sein

Bevor Sie einen Bildungsurlaub beantragen können, sollten Sie prüfen, ob Sie überhaupt Anspruch auf einen Bildungsurlaub haben und für welchen Zeitraum Sie sich freistellen lassen können. Außerdem sollte die Bildungsmaßnahme, zumindest im weitesten Sinne, einem beruflichen oder politischen Zweck dienen. Dabei genügt ein mittelbarer Bezug zu Ihrer Arbeit, was bei Kursen zu Stressmanagement beispielsweise der Fall sein dürfte.

Haben Sie schon eine bestimmte Weiterbildungsmaßnahme ins Auge gefasst, sollten Sie in Erfahrung bringen, ob diese in Ihrem Bildungsland anerkannt ist. Da es sich bei der Bildungsfreistellung um eine Sonderform des bezahlten Urlaubs handelt, müssen Sie für Kost und Logis sowie eventuell auch für die Kursgebühren selbst aufkommen.

Wer eine Weiterbildung dieser Form plant, sollte ausreichend Vorlauf einkalkulieren. So sollte der Arbeitgeber mindestens sechs Wochen im Voraus darüber informiert werden. Hilfreich ist es, diesen rechtzeitig in sein Vorhaben einzuweihen und ihn nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Allerdings dürfen Arbeitgeber Anträge auf Bildungsurlaub nur in Einzelfällen ablehnen. Nämlich zum Beispiel dann, wenn Urlaubsansprüche von Kolleginnen und Kollegen oder wichtige betriebliche Belange Priorität haben.

Wie Sie Schritt für Schritt Ihre Bildungszeit beantragen, lesen Sie hier.

Wer soll das geplante Weiterbildungsvorhaben bezahlen?

Die Bundesagentur für Arbeit will die Freistellung nach österreichischem Vorbild staatlich fördern. Die Kosten orientieren sich an der Höhe des Arbeitslosengeldes: 60 Prozent für Alleinstehende sowie 67 Prozent des Einkommens für Beschäftigte mit Kind. Das finanzielle Volumen für die Maßnahmen des Weiterbildungsgesetzes soll laut Heil bei der Bundesagentur für Arbeit (bis zum Jahr 2026 ansteigend) jährlich rund 771 Millionen Euro betragen. 190 Millionen Euro sollen aus dem Bundeshaushalt dazukommen. Das Gesetzesvorhaben sieht auch vor, jene Betriebe mit einem Qualifizierungsgeld zu unterstützen, in denen wegen des Strukturwandels in der Wirtschaft besonders viele Beschäftigte einer Weiterbildung bedürfen.

Diese Pläne gingen dem Finanzministerium von Christian Lindner vorerst zu weit. Wie Ende Januar schließlich durchsickerte, wurden die ehrgeizigen Pläne von Hubertus Heil auf unbestimmte Zeit vertagt. An den bisherigen Möglichkeiten, einen Bildungsurlaub zu beanspruchen, ändert das allerdings nichts.

Mein Fazit zur Bildungsfreistellung

Das geplante Weiterbildungsgesetz ist eine gute Nachricht für alle, die schon immer etwas Neues lernen wollten, um im Job weiterzukommen, aber bislang nicht den Vorstoß wagten. Auch mangelndes Budget für Workshops, Seminare oder Studienreisen sind häufige Faktoren, die von solchen „Auszeiten“ abhalten. Oder schlicht die Tatsache, dass sich viele in ihrem regulären Urlaub nicht mit Weiterbildung beschäftigen möchten. Deshalb ist eine bezahlte Bildungszeit von bis zu einem Jahr eine gute Option. Nur muss der Arbeitsmarkt flexibler reagieren als bislang, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt befähigt werden können, einer Bildungszeit nachzugehen. Auch wenn der Vorstoß von Hubertus Heil im Moment auf Eis liegt, aufgeschoben, ist nicht aufgehoben!

Es muss nicht immer eine neue Sprache sein, ein EDV- oder Management-Kurs. Einfach mal eine Auszeit zu nehmen, um in Zukunft mit Stress, und ständiger Überforderung besser umzugehen, käme in diesen Zeiten vielen Menschen entgegen und wäre obendrein ein Booster für ihre Motivation. So sollen Achtsamkeits- und Resilienz-Trainings nicht nur die Arbeitszufriedenheit und Kreativität steigern, sondern sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Und davon haben schließlich alle etwas!

Rechtsanwalt Dr. Schmid steht Ihnen für Ihre Fragen zum Arbeitsrecht zur Seite und vertritt Sie in Ihrer Rechtsangelegenheit vor Gericht. Rufen Sie uns gerne an, sodass wir einen ersten Beratungstermin vereinbaren können. Alternativ auch via E-Mail.

Veröffentlicht am: 22. Dezember 2024

Kategorien:Allgemein

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