Resturlaub verfällt nicht mehr automatisch

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Resturlaub verfällt nicht mehr automatisch

Die neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sieht vor, dass nicht genommener Urlaub nicht mehr automatisch nach drei Jahren verjährt. Jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht angemessen Rechnung trug.

Das Problem werden Viele kennen: Überladene Arbeitstage, Stress bis zum Abwinken, ein Meeting nach dem anderen, mit der Folge, dass am Ende des Jahres noch viel Urlaub vom Jahr übrigbleibt. Nicht alle Arbeitgeber sind so kulant, den Resturlaub von Mitarbeitern auf die ersten drei Monate des Folgejahres zu verteilen, was in Einzelfällen schon immer möglich war. Die Folge: Die verbliebenen Urlaubstage aus dem Vorjahr verfielen. Bisher kamen die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes eher den Arbeitgebern zupass. Das hat sich nun geändert.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem jüngsten Urteil (BAG Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in dessen Vorabentscheidung vom 22. September 2022 umgesetzt. Danach kann der Anspruch auf Erholungsurlaub zwar verjähren. Allerdings nur dann, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten regelmäßig darauf hingewiesen hat und ihn zudem in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen.


Hinweispflicht des Arbeitgebers

Zum Verständnis: Die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub gelten nach wie vor. Allerdings beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres (§ 199 Abs. 1 BGB). Nach der neuen Gesetzeslage beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seinen Beschäftigten über dessen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrte.


Urlaub kann Jahre später genommen oder ausbezahlt werden

Ist ein Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen, bedeutet das nicht in jedem Fall, dass er alles richtig gemacht hat. Hatten nämlich die Beschäftigten aufgrund eines enormen Arbeitsaufkommens keine Chance, in die Ferien zu gehen, ist das ebenfalls nicht ausreichend und der Urlaubsanspruch besteht unverändert fort. Der aus solchen Gründen angehäufte Urlaub verjährt nicht und kann auf Wunsch der Belegschaft ausbezahlt werden. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die Arbeitnehmerin 101 Tage an Urlaub angehäuft und machte den Gegenwert von 23.000 EUR erfolgreich geltend.


Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen

Nach bisheriger Rechtsprechung erloschen gesetzliche Urlaubsansprüche auch bei „fortdauernder Arbeitsunfähigkeit“ wegen Krankheit am 31. März des zweiten Folgejahres. Auch diese Gesetzeslage hat sich entsprechend geändert (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 245/19). Bei Krankheit verfällt zwar weiterhin der Resturlaub mit Ablauf einer Frist von 15 Monaten. Dann nämlich, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr – aus gesundheitlichen Gründen – seinen Urlaub nicht antreten konnte.

Einziger Unterschied: Der Arbeitgeber ist hier außen vor. Eine Mitwirkungspflicht trifft ihn nicht. Er hätte nichts dazu beitragen können, dass der erkrankte Beschäftigte seinen Urlaub rechtzeitig wahrnimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat. Und zwar noch bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde. In diesem Fall setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs im Regelfall voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt, dessen Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen.

So viele Werktage stehen Arbeitnehmern pro Kalenderjahr als Urlaubstage zu

6-Tage-Woche: 24 Arbeitstage
5-Tage-Woche: 20 Arbeitstage
4-Tage-Woche: 16 Arbeitstage

Mein Fazit

Das Bundesurlaubsgesetz, das am 1. Januar vor 60 Jahren in Kraft trat, war so geregelt, dass Urlaubsansprüche ein Verfalldatum von maximal drei Jahren hatten. Der Resturlaub verfällt nicht mehr automatisch. Will sich der Arbeitgeber keinen finanziellen Risiken aussetzen, tut er gut daran, bei der Urlaubsplanung seiner Mitarbeiter nichts dem Zufall zu überlassen und das Thema nicht vor sich herzuschieben. Denn Unternehmen sind dazu verpflichtet, für jeden einzelnen Urlaubstag der Belegschaft, Rücklagen zu bilden. Und zwar für jene Fälle, in denen der Beschäftigte entweder selbst kündigt oder entlassen wird. Hier sind die verbleibenden Ansprüche finanziell abzugelten.

Arbeitgeber tun gut daran, wenn sie sich auf den Erholungsurlaub eines bestimmten Jahres beziehen und der betroffenen Belegschaft bereits zu Jahresbeginn (!), mindestens schriftlich, mitteilen, wie viele Urlaubstage ihnen (noch) zustehen. Ein Hinweis darauf, dass nicht genommener Urlaub, je nach Einzelfall, verfällt, sollte er nicht beantragt werden und der Betreffende aber aus freien Stücken darauf verzichtet hat, ist ratsam. Ich denke, es sollte genügen, wenn auf der Entgeltabrechnung die restlichen Urlaubstage ausgewiesen sind.
Bis Ende Januar will das BAG noch über eine weitere Frage entscheiden: Nämlich darüber, ob Beschäftigte ihre Urlaubsentgeltungsansprüche sogar bis weit in die Vergangenheit vergütet bekommen können.

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