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Kein Ausgleich wegen Lohnfortzahlung bei angeordneter Quarantäne
Arbeitgeber haben nur in bestimmten Fällen Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz gegen ihr Bundesland wegen Lohnfortzahlungen bei behördlich angeordneter Quarantäne.
Vor allem zu Beginn der Corona-Krise kam es häufig vor, dass Quarantänemaßnahmen behördlich angeordnet wurden. Betroffen waren Unternehmen ebenso wie öffentliche oder private Einrichtungen, Kindergärten, Seniorenheime usw. Anordnungen häuslicher Quarantäne sind zwar nach dem Infektionsschutz grundsätzlich möglich. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Quarantäne zeitlich befristet ist.
Quarantäneanordnungen „bis auf Weiteres“, die in zeitlicher Hinsicht nicht befristet sind, stellen einen Eingriff in die Grundrechte dar und sind unwirksam. Das Robert-Koch-Institut hat 2020 für die Dauer der Quarantäne 14 Tage empfohlen. (Dabei entspricht der erste Tag der Quarantäne dem Tag, an dem zuletzt Kontakt zu einer Risikoperson bestand. Mehr als 14 Tage wird als unverhältnismäßig angesehen.)
VG Koblenz, Urteil vom 05.10.2020 – 3 K 489/20.KO
Entgeltfortzahlungsgesetz oder Infektionsschutzgesetz
Ist oder war eine Quarantäneanordnung rechtmäßig und müssen einzelne Mitarbeiter oder alle Mitarbeiter eines Unternehmens in häusliche Quarantäne, stellt sich die Frage, welches Gesetz für die Zeit der Quarantäne Anwendung findet, um den Verdienstausfall auszugleichen?
- Besteht ein Lohnanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) für diese Zeit gegen den Arbeitgeber (§ 616 S. 1 BGB), gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz. Hier kann der Arbeitgeber im Nachhinein nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gegen das entsprechende Bundesland erwirken (siehe unten). Der Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber bleibt weiterhin aufrecht, wenn die Belegschaft auch aus dem Homeoffice arbeiten konnte oder ein Arbeitnehmer während dieser Zeit arbeitsunfähig erkrankt war. Im letztgenannten Fall ist es unerheblich, ob der Erkrankte aus dem Homeoffice hätte arbeiten können oder nicht.
- War hingegen eine ganze Abteilung oder das gesamte Unternehmen von der behördlich angeordneten Quarantäne bzw. einem Tätigkeitsverbot betroffen und haben dadurch nicht nur eine überschaubare Anzahl an Personen einen Verdienstausfall erlitten, gilt nicht mehr das Entgeltfortzahlungsgesetz. Bei einem solchen „objektiven Verhinderungsgrund“ greift das Infektionsschutzgesetz, genauer §56 IfSG und der Verdienstausfall wird durch eine Entschädigung abgefedert.
Entschädigung wegen Verdienstausfall bei angeordneter Quarantäne?
Inzwischen häufen sich an den Verwaltungsgerichten in Deutschland Fälle, in denen es um Entschädigungsansprüche wegen Verdienstausfalls von Arbeitnehmern und Selbstständigen oder der Anordnung von Quarantäne geht. Bereits im November 2020 wurden für solche Fälle die Verwaltungsgerichte für zuständig erklärt.
Folgende Konstellationen beschäftigen die Richter:
- Eine Behörde hatte für einige Beschäftigte eines Unternehmens wegen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus eine 14-tägige häusliche Quarantäne angeordnet, ohne, dass einer der Betreffenden krank war. Von zu Hause zu arbeiten, war nicht möglich. Wenn, wie in diesem Fall, ein Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ schuldlos verhindert war, seiner Arbeit nachzukommen, muss ihm sein Arbeitgeber für diese Zeit nach §616 BGB seinen Lohn bezahlen. Dabei gelten fünf Tage als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, längstens aber sechs Wochen, wenn das tarifvertraglich so festgelegt ist. Hier erhält der Arbeitgeber die ausgezahlten Beträge, auch in die Sozialversicherung, die über fünf Tage hinausgehen, auf Antrag von der öffentlichen Hand erstattet, wenn er die Umstände nicht zu verantworten hatte.
- Schickt ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter hingegen in ein Corona-Risikogebiet und muss dieser nach dessen Rückkehr in Quarantäne, trägt der Arbeitgeber das volle Risiko. (VG Karlsruhe vom 30.06.2021, bis dato noch nicht rechtskräftig!) Der Arbeitsausfall sei einzig durch die unternehmerische Entscheidung eingetreten. Daher seien die Folgen für das Unternehmen vorhersehbar gewesen.
- Hat der Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag festgelegt, dass er für solche Fälle nicht zahlt, muss nach dem Infektionsschutzgesetz die öffentliche Hand einspringen und den betroffenen Mitarbeitern eine Entschädigung zahlen. Falls nicht, können einzelne Mitarbeiter für die Zeit, die sie nach den fünf Tagen weiterhin in Quarantäne bleiben müssen, die öffentliche Hand für ihren Verdienstausfall in Anspruch nehmen.
Zusammenfassung
Stehen einzelne Beschäftigte im Verdacht, sich angesteckt zu haben und werden sie deshalb von einer Behörde in Quarantäne geschickt, liegt das Leistungshindernis in ihrer Person und es gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz.
Anders, wenn die Quarantäne eine ganze Abteilung oder sogar das gesamte Unternehmen betrifft: Dann liegt ein „objektiver Verhinderungsgrund“ vor mit der Folge, dass nicht § 616 BGB, sondern § 56 IfSG greift.Das heißt: Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz, sofern sein Arbeitnehmer während einer vierzehntägigen häuslichen Absonderung gegen ihn einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat.
Bei einem Arbeitsverhältnis, das bereits über ein Jahr besteht, gelten sechs bis vierzehn Tage als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Hier greift das Entgeltfortzahlungsgesetz und nicht das Infektionsschutzgesetz. Dem Arbeitgeber ist unter diesen Umständen zumutbar, den Lohn für maximal zwei Wochen weiterzuzahlen, soweit tarifvertraglich nichts anderes geregelt wurde. Sollte das der Fall sein, haben betroffene Mitarbeiter in der Regel einen Entschädigungsanspruch durch die öffentliche Hand.
(VG Koblenz, Urt. v. 10.5.2021 – 3 K 107/21.KO und 3 K 108/21.KO)
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